11. April 2025
Manege frei




Zirkus und Jahrmarktstreiben üben seit jeher eine magische Anziehungskraft auf die Menschen aus. Kaum betritt man eine dieser farbenfrohen Welten, taucht man für eine Weile in eine völlig andere Realität ein – staunt, lacht und vergisst den Alltag. Ein Teil dieses Zaubers ist die Musik, die hoch über den Köpfen der Zuschauer unter dem Zeltdach oder aus der Jahrmarktsorgel erklingt und unmittelbar verzaubert.
Genau dieser Atmosphäre widmet sich der Kontrabassist Claude Tchamitchian auf seinem neuen Album „Vortice“ (ital. Wirbel). Gemeinsam mit drei weiteren herausragenden Vertretern der französischen Jazzszene schafft er Klangbilder, die sich wie ein poetisches Zirkusprogramm entfalten. Kompositionen, die sich leichtfüßig wie federgeschmückte Pferde bewegen, Themen, die durcheinanderwirbeln, nach Balance streben und dabei eine fragile Spannung halten. Je genauer man hinhört, umso mehr offenbart sich eine Fülle an Details in jedem einzelnen Stück.
Der Pianist Bruno Angelini entfacht einen wilden Tastengalopp, oft abstrakt, aber auch im Wechsel mit aufscheinenden Melodien. Claude Tchamitchian selbst balanciert mit Bogen und Fingern über seine Basssaiten wie ein Artist auf dem Hochseil und Catherine Delaunays Klarinettentöne tanzen verspielt und akrobatisch durch die Luft, während Christophe Monniots Saxophon seine Töne mal sanft, mal waghalsig durch die Manege jongliert.
Immer wieder entstehen neue Sensationen, die auf Höhepunkte zusteuern – kleine Klangkunststücke mit überraschenden Wendungen, die die Ohren zum Leuchten bringen.
Lesetipp:
Zu meinen Lieblingstexten gehört die kleine Erzählung „Le Cirque“ des Schweizer Autors C.-F. Ramuz (leider nur auf Französisch erhältlich), die diesen Zauber der Zirkuswelt nicht in Töne, sondern in sehr poetische Worte fasst.