8. Mai 2025
Mary Lou Williams

Heute am 8. Mai jährt sich der Geburtstag von Mary Lou Williams zum 115. Mal. Sie zählt zu den bedeutendsten Wegbereiterinnen für die Gleichberechtigung der Frauen im Jazz. Bereits als Kind offenbarte sich ihr außergewöhnliches Talent – sie spielte alles nach Gehör und verbrachte bis zu zwölf Stunden täglich am Klavier. Mit nur sechs Jahren erlangte sie in Pittsburgh als „The Little Piano Girl“ Berühmtheit und trat auf Veranstaltungen der weißen Oberschicht auf.
Später arbeitete sie als Pianistin und Komponistin in verschiedenen Combos und Big Bands, meist als einzige Frau. Ihr kompositorisches und arrangierendes Können wurde von Jazz-Größen wie Benny Goodman, Duke Ellington und Dizzy Gillespie hochgeschätzt. Beeindruckend war ihre stilistische Vielseitigkeit, die von Spirituals, Ragtime und Boogie-Woogie über Swing und Bebop bis zum Free Jazz reichte. Wie Duke Ellington in seiner Biografie treffend bemerkte, blieb sie stets „perpetually contemporary“ – zeitgemäß und innovationsfreudig.
1957 konvertierte Mary Lou Williams zum Katholizismus, was zur Folge hatte, dass ihre Kompositionen, die sie auf ihrem eigenen Label veröffentlichte, zunehmend religiösen Charakter annahmen und in Kirchen aufgeführt wurden. Während dieser Zeit engagierte sie sich verstärkt für notleidende Künstler und stellte sogar ihre eigene Wohnung als Rückzugsort zur Verfügung.
In den 1970er Jahren wandte sie sich wieder dem weltlichen Jazz zu und veröffentlichte regelmäßig auf renommierten Jazzlabels, darunter das vielbeachtete Album „Free Spirits“ (1976). Durch Auftritte in Radio und Fernsehen setzte sie sich dafür ein, das reiche afroamerikanische Erbe des Jazz für nachfolgende Generationen lebendig zu halten.
Herausragend finde ich unter anderem ihre „Zodiac Suite“ die Ende 1945 uraufgeführt wurde. Ursprünglich für Trio komponiert, vereint sie Elemente der klassischen Musik und des Jazz und wird der sogenannten Third-Stream-Bewegung zugerechnet. In diesem zwölfsätzigen Werk widmete Williams jedem Sternzeichen eine musikalische Interpretation: „Ich habe den Zeichen die musikalische Interpretation gegeben, die sie meiner Meinung nach verdienen. Dafür habe ich mich für jedes Zeichen mit Personen beschäftigt, die ich in der Kunstwelt kenne.“ Unter den Widmungen finden sich Musikerkollegen wie Billie Holiday (Widder) und Duke Ellington (Stier), aber auch der damalige Präsident Ted Roosevelt (Wassermann). Weitere Infos dazu hier. Dieses Werk erfährt bis heute zahlreiche Neuinterpretationen, von denen ich drei ziemlich gute Versionen im Anschluss an diesen Artikel stelle.
Eines der interessantesten Zeugnisse ihres Schaffens – und vielleicht der gesamten Jazzgeschichte – ist das Duo-Konzert mit der Free Jazz-Piano-Legende Cecil Taylor. Der Mitschnitt dieses historischen Treffens vom 17. April 1977, „Embraced“ erinnert stellenweise an die Klangkulisse eines Tom und Jerry-Cartoons und ist absolut hörenswert.
Mary Lou Williams verstarb am 28. Mai 1981. Ihr künstlerisches Vermächtnis wird durch die Mary Lou Williams Foundation bewahrt, die eine umfangreiche Website betreibt und sich unter anderem um die Förderung junger Musiktalente kümmert.
Dieser Text stammt aus einem Online-Adventskalender über 24 wegweisende Jazzmusikerinnen, den ich vor zwei Jahren gestaltet und geschrieben habe. Ich arbeite derzeit daran, das Projekt weiter auszubauen und suche einen passenden Verlag dafür.


Zodiac Suite
Umlaut Chamber Orchestra
2023, Umlaut
Die Version für Kammerorchester mit 23 Musikern als gut durchdachte Rekonstruktion des Originalwerks.

Zodiac Suite: Revisited
The Mary Lou Williams Collective
2006, Mary
Persönliche, klavierbetonte Interpretation in Trio-Besetzung unter der Leitung von Geri Allen.