stimmen

  • Billie Holiday

    Wenn Billie Holiday (1925–1959) auf ihrem Album „Lady in Satin“ (1958) mit einer Stimme singt die vom Leben, von Alkohol und Drogen gezeichnet ist, hört man ihr gebannt und mit zugeschnürter Kehle zu. Natürlich wünscht man niemandem solch ein Schicksal, das zu so einer Tonlage führt, aber man weiß auch, dass es oft tiefes Leiden ist, das große Kunst entstehen lässt. Texte wie „I’m A Fool To Want You“ oder „Glad To Be Unhappy“ erhalten hier eine bewegende Wahrhaftigkeit, wie man sie nur selten zu hören bekommt. Mit einer solch brüchigen, krächzenden, aber nach wie vor genau artikulierenden Stimme noch singend an die Öffentlichkeit zu treten, kann man als makaber befinden aber ich finde es offenbart vor allem die Größe dieser Künstlerin.

  • Roger Daltrey

    Roger Daltrey (*1944) besitzt eine der kraftvollsten und ausdrucksstärksten Stimmen im Rockgeschäft. Ich finde seine besten Soloplatten sind der Soundtrack zu „McVicar“ (1980, Polydor), einem Film in dem er auch die Hauptrolle spielt und „As Long As I Have You“ (2018, Polydor) mit unter anderem einer hervorragenden Interpretation des Nick Cave-Songs „Into My Arms“. Ansonsten einfach The Who rauf und runter hören!!

  • Samara Joy

    Die tiefe samtige Stimme der 1998 geborenen Samara Joy besitzt eine ganz besondere Natürlichkeit. Auf ihrem in diesem Jahr erschienenen gleichnamigen Debütalbum (Whirlwind Records, 2021) verstrahlt sie mit ausgewählten Jazzklassikern viel swingende Lebensfreude, die kongenial vom Trio des Gitarristen Pasquale Grasso begleitet wird. Man darf gespannt sein, wie sich diese junge Sängerin sich noch weiter entwickelt.

  • Phil Minton

    Phil Minton (*1940) hat vermutlich mit fast allen wichtigen Akteuren der Avantgardemusikszene zusammengearbeitet. Seine gewaltiges, stimmliches Repertoire reicht von ausgedehntem Gurren, Murmeln, Quaken, Zischen über rauhe Seemannsweisen bis zum klassischen Liedgesang. Eine guter Überblick gibt seine Zusammenarbeit mit dem Pianisten Veryan Weston die mit der Vertonung von Texten Ho Chi Minhs über Jacques Brel bis Franz Schubert weite Bögen schlägt („Ways“, 1992; …past, 2004). Ein hingeworfenes Ohr wert, sind sicherlich auch die beiden Bands „Roof“ und „4Walls“ und seine langjährige Arbeit mit Mike Westbrook. Außerdem fördert er seit vielen Jahren mit seinem Projekt „Feral Choir“ in Workshops und Konzerten das Chorsingen von Laien.

  • Lhasa de Sela

    Lhasa de Sela (1972-2010) war eine US-mexikanische Sängerin. Sie schrieb melancholisch-sehnsüchtige Songs von zeitlosem Charakter, die sie mit dunkler Stimme in drei Sprachen vortrug. Ihr faszinierendes Werk verteilt sich auf drei sehr unterschiedliche Alben, die jedes für sich ein kleines Wunder sind: „La Llorona“ (1997), lateinamerikanisch geprägt und auf spanisch gesungen; „The Living Road“ (2003), dreisprachig und musikalisch am variationsreichsten; und „Lhasa“ (2009) in Lhasas Muttersprache Englisch, das leiseste Werk.

  • Leonard Cohen

    Die Karriere Leonard Cohens (1934-2016) hatte Höhen und Tiefen, aber der absolute Höhepunkt war seine unfassbar tiefe Stimme auf seinen beiden letzten Alben. „You want it darker“ (2016) und das posthum erschienene „Thanks for the dance“ (2019) haben auch sonst eine Tiefe in der man sich gerne verliert. Auch in den Jahren vorher viel Schönes dabei wie zum Beispiel „New Skin for the Old Ceremony“ (1974) und „Songs of Love and Hate“ (1971)

  • Nina Simone

    Wenige Sängerinnen transportieren gleichzeitig soviel Gefühl und Energie wie Nina Simone (1933-2003). Dass sie dazu noch eine ausgezeichnete Pianistin war, geht dabei immer etwas unter. Gut hört man dies bei der grandiosen Liveaufnahme eines Konzerts in der Town Hall (New York) von 1959. Sehr lässig auch „Silk & Soul“ (1967). Ansonsten navigiert man sich einfach frei durch ihr Werk und staunt.

  • Tom Waits

    Ist vielleicht nicht so ganz sicher, ob man das noch Stimme nennen kann, trotzdem eine wichtige Stimme im Musikgeschäft. Und nachdem Tom Waits (*1949) seine Frau und seitdem Mitstreiterin bei allen Projekten Kathleen Brennan kennen gelernt hatte, wurde es richtig interessant. Für mich wichtige Meilensteine „Swordfishtrombones“ (1983), das dem in nichts nachstehenden Album „Bone Machine“ (1992) (Notiz am Rande: das Cover ist von Bob Dylans Sohn Jesse) und die Musik zur Robert Wilson-Inszenierung „The Black Rider“ (1993).

  • Abbey Lincoln

    Abbey Lincoln (1930-2010) hat etwas sehr entschiedenes in ihrer Stimme. Zwei Aufnahmen stehen für mich hierfür exemplarisch: Zum einen „That’s him“ (1957) mit geradlinigem aber trotzdem ausdrucksstarken Vortrag klassischen Jazzgesangs (davon ein Stück – „Tender as a Rose“ – ergreifend à capella). Zum anderen „We Insist! Freedom Now Suite“ (1960), Max Roach’ intensive Stellungnahme gegen Rassendiskriminierung, auf der Abbey Lincoln durchaus auch die Grenzen ihrer Stimme austestet. – Und dann gibt es da noch ein Album „Painted (bzw. Golden) Lady“ (1981), das sie u.a. mit Archie Shepp aufgenommen hat: alleine das Duett von Stimme und Saxophon in „Throw it away“ ist herausragend. Ein späteres Werk, das hier ebenfalls erwähnt werden sollte, ist „You Gotta Pay The Band“ aus dem Jahr 1991, bei dem unter anderem Stan Getz am Saxophon und Charlie Haden am Bass mitwirkten.

  • Giorgio Gaber

    Giorgio Gaber (1939–2003), italienischer Liedermacher
    Ein großer Künstler, der als Cantautore und einer Mischung aus Gesang und Schauspiel, Kultur, Poesie und gesellschafts-politische Meinung auf höchsten Niveau präsentierte. Seine Texte gehören ganz dringend aus dem Italienischen übersetzt!

  • Iva Bittová

    Die tschechische Sprache ist an sich schon sehr melodiös, aber mit Iva Bittovás (*1958) Stimme klingt sie gleich noch viel schöner. Als musikalischer Freigeist deckt sie ein enormes Repertoire von Alter Musik über mährische Volkslieder bis zur Avantgarde mit teilweise waghalsiger Stimmakrobatik und Geigenbegleitung ab. Zum Einstieg empfehle ich Ihr Album „Bílé Inferno“ (1995).

  • Wladimir Wyssozki

    Wladimir Wyssozki (1938–1980) war ein renommierter russischer Theater- und Filmschauspieler und Liedermacher. Während er seiner Tätigkeit als Schauspieler unter dem kommunistischen Regime nachgehen durfte, waren seine Lieder und Texte verboten. Er schrieb an die 800 Lieder und trug sie mit markanter Stimme meist im Rahmen von privaten Soireen vor. Dabei entstanden zahlreiche, oft auch aus benachbarten Wohnungen aufgenommene Tonbänder, die sich unter der Hand über das ganze Land verbreiteten und seine Musik und Dichtung im ganzen Land bekannt machten. Wladimir Wyssozki gilt als wichtiger Dokumentar russischen Lebens und ist bis heute nach Juri Gagarin, die beliebteste Persönlichkeit der russischen Bevölkerung. Webseite mit deutschen Übersetzungen: wysotsky.com