24. Februar 2025
Schlangenbeschwörung
Ich habe eine gehörige Vorliebe für tieftönende Instrumente – neben dem Kontrabass zählt dazu auch der Serpent. Dieses außergewöhnliche Blasinstrument wurde im späten 16. Jahrhundert in Frankreich entwickelt, ursprünglich zur Begleitung von Kirchengesang. Später fand es auch in Militärkapellen Verwendung. Seinen Namen verdankt der Serpent seiner geschwungenen, serpentinenartigen Form, die an eine Schlange erinnert. Gefertigt ist er aus hartem Holz, das mit Leder überzogen wird, und verfügt über sechs bis acht Grifflöcher. Gespielt wird der Serpent mit einem Kesselmundstück, ähnlich dem einer Tuba oder eines Euphoniums. Die Töne entstehen durch eine Kombination aus Grifflöchern und Lippenspannung, wobei durch geschickte Ansatz- und Überblas-Techniken auch Zwischentöne (Halbtöne) erzeugt werden. So entsteht sein charakteristischer Klang – tief und dunkel, mit einer weichen, knorrigen Klangfarbe.
Wer diese Schlange ziemlich gut beschwören kann, ist der französische Tubaspieler Michel Godard, der sowohl in der Alten Musik als auch im Jazz zuhause ist und dem Serpent zu neuer Popularität verholfen hat. Sein Album „Le Chant du Serpent“ (La Lichère, 1989) ist ein einzigartiges Meisterwerk, das die klanglichen Möglichkeiten dieses Instruments in Kombination mit menschlicher Stimme erforscht. Einflüsse aus Mittelalter, traditioneller Musik, Jazz und ein bisschen Reggae prägen diese Musik und betören mich seit vielen Jahren immer wieder aufs Neue.


Michel Godard ist ein vielseitiger Musiker, der – ob am Serpent, an der Tuba oder am E-Bass – an zahlreichen außergewöhnlichen Projekten mitwirkt. Zu seinen hörenswertesten Alben zählen „Castel del Monte“ (Enja, 2000, mit u.a. Gianluigi Trovesi am Saxofon und Renaud Garcia-Fons am Bass), „Monteverdi – A Trace of Grace“ (Carpe Diem, 2011, mit u.a. Steve Swallow am E-Bass) sowie „A Serpent’s Dream“ (Intuition, 2015, mit u.a. Lucas Niggli am Schlagzeug) – und in all diesen Werken spielt der Serpent eine zentrale Rolle.
Vor Kurzem erschien das Album „Imaginary Circle“ (ECM. 2025), ein Werks des Jazzpianisten Florian Weber, das unterschiedliche musikalische Welten subtil miteinander verwebt. In diesem vierteiligen Zyklus verschwimmen die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation, sodass ein schwebender, fast meditativer Klangraum entsteht, der ein wenig an die sakrale Musik von Olivier Messiaen erinnert. Neben Klavier, jeweils vier Euphonien und Posaunen kommt hier auch Michel Godard mit seinem Serpent zum Einsatz – der dabei als Bindeglied zwischen alter und neuer Musik fungiert.
