19. Februar 2025

Weitergehen

Hat irgendjemand behauptet, dass Jazz immer einfach ist? Dieses Soloalbum von Joachim Kühn, „Échappé“ (Intakt), ist ein harter Brocken. Beim ersten Hören nebenbei wirkte es sperrig, beim zweiten Mal – konzentriert – immer noch kompliziert. Dann legte ich es wieder weg. In den einschlägigen Medien erscheinen Lobeshymnen. Also habe ich es noch einmal unter die Lupe genommen. Titel wie „Weltall“, „Schlachtfeld“ oder „Südkuve“ bieten Anknüpfungspunkte, um die musikalischen Themen und Stimmungen zu deuten. Zwischen schroffen Akkorden blitzen kleine Lichtblicke auf, nur um sogleich von herben Läufen, waghalsigen Arpeggien und abrupten Harmoniewechseln abgelöst zu werden. Eilige Tonfolgen schwirren über die Tasten, setzen unruhige Akzente und führen auf unerwartetes Terrain. Das ist wild – hier sitzt einer am Klavier, der seinen Ideenreichtum kaum bändigen kann. Einer, der in seinem Leben viel ausprobiert hat. Verschiedene Stile, viele Brüche. Jetzt, mit achtzig, sollte eigentlich Ruhe einkehren, aber dafür ist Joachim Kühn nicht gemacht. 

Der Albumtitel klingt wie Kühns nicht nur musikalisches Credo: échappé– ausbrechen, aufbrechen, weitergehen. Er will es weiter wissen, fordert sich selbst, fordert den Hörer – und genau das macht dieses Album ziemlich aufregend. 

Hörtipp: Auch in kleineren Dosierungen konsumieren.