14. Dezember 2022

Highlights 2022

In diesem Jahr gab es vor allem drei Alben, die mich immer wieder in ihren Bann gezogen haben und dies auch noch weiterhin tun:


1 ― Tyshawn Sorey Trio, „Mesmerism“
 „Smart musicians understand their roots, but aren’t afraid to grow beyond them.“ schrieb der renommierte Jazzkritiker Kevin Whitehead in den Liner Notes zu Tom Coras „Gumption in Limbo“ (siehe Blogeintrag vom 23.11.22). Tyshawn Sorey, ein Komponist und Schlagzeuger, der bisher eher im Kontext von Avantgarde und neuer Musik aufgetreten ist, hat sich nun diese Wurzeln zusammen mit dem Pianisten Aaron Diehl und dem Bassisten Matt Brewer sehr genau vorgenommen. Mit Stücken von Horace Silver, Duke Ellington oder dem Klassiker „Autumn Leaves“ eröffnen die drei Musiker große weite Räume, in denen jeder von ihnen genau den richtigen Platz einnimmt. Die perlenden Läufe des Pianisten sind so leicht, als ob die Klaviertasten sich jeglichem Widerstand ergeben hätten, der Bass swingt locker in alle Richtungen und darunter legt Sorey kongenial sein feingliedrig flirrendes Schlagzeugspiel. Dabei entsteht eine Musik die bei jedem erneuten Hören weitere Details ans Licht bringt, ausgiebig reflektiert und gleichzeitig ganz gegenwärtig ist. Eine Besonderheit dieser Aufnahme ist auch, dass sie, ohne viel zu proben direkt eingespielt wurde, was die ganz besondere Klasse dieser Musiker noch verdeutlicht. Das Album war zunächst nur über die Plattform bandcamp erhältlich, wodurch es lange ein absoluter Geheimtipp war.

2 ― Keith Jarrett, „Bordeaux Concert“ 
Keith Jarrett ist mir ein alter, am Klavier manchmal etwas unruhiger, aber sehr sensibler „Freund“, der mir in den letzten Jahren viel Freude bereitet hat. Mit diesem Konzert hat er mich allerdings wie nie zuvor überrascht. Ungewöhnlich kleine Einheiten, die sich immer wieder gegenseitig verspinnen und ein buntes Panorama quer durch Jarretts Werk erschaffen. Immer wieder intensive Melodien, nachdenkliche Läufe und ein Tastenanschlag der mit diesem Konzert an Schönheit kaum zu überbieten ist. (siehe auch Blogeintrag vom 4.10.22

3 ― Kham Meslien, „Fantômes… Futurs“
Kham Meslien, lange Jahre Bassist einer französischen Folk-Rock-Chanson-Band und gelegentlich Begleitmusiker von Größen wie Archie Shepp oder Robert Wyatt, wurde von einem Festivalleiter aufgefordert ein Soloprojekt zu erwägen. Ein weiser Vorschlag, denn die Musik, die dabei herauskam, hat eine schamanische Energie, der man sich kaum entziehen kann. Sie strotzt von rhythmischer Kraft und getragener Weite und wenn der Spoken-Word-Poet Anthony Joseph bei einem der Stücke seinen Text vorträgt tritt der Kontrabass einen Schritt zurück und unterstreicht eindrücklich die Macht der Worte.