18. Oktober 2022

Inspirationen

In diesem Jahr sind zwei faszinierende Musikwerke erschienen die sich mit Werken der bildenden Kunst beschäftigen: „For the Love of Fire and Water“ (Rogueart) von Myra Melford, die Cy Twomblys gleichnamiges Werk, auch Gaeta-Zyklus genannt (Sammlung Brandhorst, München), aus dem Jahr 1981 zur Inspiration genommen hat und „Secular Psalms“ (Greenleave music) von Dave Douglas, ein Auftragswerk zum 600-jährigen Jubiläum des Genter Altars, ein Flügelaltar der von Jan van Eyck erschaffen wurde.

Die Kunst Cy Twomblys (1928-2011) und die Musik Myra Melfords (*1957) haben gemeinsam, dass sie in ihrer Abstraktion zunächst irritieren und je länger man sich damit beschäftigt, mit den Hintergründen oder einfach nur durch sehen bzw. hören tritt aus der Abstraktion – sobald man sie akzeptiert – nach und nach eine Ästhetik zutage, aus der spannende Form-, Ton- und Farbexplosionen entstehen. Für „For the Love of Fire and Water“ hat sich die Pianistin sehr indivduelle und starke Musikerinnen mit ins Boot geholt: Mary Halvorson an der Gitarre, Ingrid Laubrock am Saxophone, Tomeka Reid am Cello und Susie Ibarra am Schlagzeug.

Wie Myra Medford hat auch der Trompeter Dave Douglas (*1963) für seine Produktion der „Secular Psalms“ ein Ensemble aus jungen amerikanischen und europäischen Musikern zusammengestellt. Die Cellistin Tomeka Reid ist auch hier dabei, die Pianistin Marta Warelis, Berlinde Deman spielt Serpent und Tuba und singt, der Gitarrist Frederick Leroux und am Schlagzeug Lander Gyselinck. Instrumente des Spätmittelalters wie Laute und Serpent kommen ebenso zum Einsatz wie E-Gitarre, Elektronik und Pferdegewieher. Die Kombination religiöser Mystik des 15. Jahrhunderts mit Zeitgenössischem ergibt hier eine tatsächlich neu- und eigenartige Musik deren Detailreichtum der Malerei Jan van Eycks (um 1390–1441) durchaus ebenbürtig ist. Schwer zu fassen, aber vielleicht gerade deshalb auch extrem fesselnd.