20. Juni 2024

Musik für Menschen, Vögel, Schmetterlinge und Moskitos

Im weiten Ozean des Jazz ist die Musik von Jimmy Giuffre (1921–2008) eine besondere Perle. Nachdem er als Saxophonist und Arrangeur für renommierte Big-Band-Formationen gearbeitet hatte, begann er sich mehr auf die Klarinette zu konzentrieren und schuf eine Musik, die sich durch subtile Arrangements und eine intime, introvertierte Atmosphäre auszeichnete, die eher an klassische Kammermusik als an traditionellen Jazz erinnerte und ihn zu einem frühen Protagonisten des Avantgarde-Jazz machte.

In den späten 1950er und frühen 1960er Jahren entstanden einige brillante Alben, die seine Fähigkeit zur Integration verschiedener musikalischer Einflüsse und sein Engagement für das freie Zusammenspiel der Musiker unter Beweis stellten. Dies gipfelte 1963 in dem Album „Free Fall“ (Columbia) mit Steve Swallow am Kontrabass und Paul Bley am Klavier, das durch seine minimalistische Radikalität überraschte, das Publikum aber eher irritierte. Das Album war daher ein kommerzieller Misserfolg und wurde erst 1995 wiederveröffentlicht.

Im folgenden Jahrzehnt konzentrierte sich Giuffre mehr auf Live-Auftritte und seine Lehrtätigkeit und kehrte erst 1972 für das Album mit dem poetischen Titel „Music for People, Birds, Butterflies and Mosquitoes“ (Candid) ins Studio zurück.

Das Album enthält zwölf kürzere Eigenkompositionen, auf denen Giuffre nahtlos zwischen Tenorsaxophon, Klarinette, Flöte und Bassflöte wechselt, während der Amerikaner Randy Kaye verschiedenes Schlagwerk und der Japaner Kiyoshi Tokunaga Kontrabass spielt. Das Album ist selbst für Giuffre ungewöhnlich asketisch, hat fernöstliche Anklänge, und die Stücke wirken äußerst bildhaft, wie kleine Naturbeschreibungen, die an japanische Haiku erinnern. Ein Gedicht von Jimmy Giuffre auf der Rückseite des Albums unterstreicht diese fast spirituelle Naturverbundenheit der Musik:

Auch dieses Album wurde bei seinem Erscheinen kaum wahrgenommen, da damals eher der extrovertierte Free- und Fusion-Jazz den Ton angab. Nun, 50 Jahre später, wurde es neu gemastert und wiederveröffentlicht und wird hoffentlich mehr Beachtung finden.

Eigentlich sollte Jimmy Giuffre, dieser leise Rebell des Jazz, viel bekannter sein, denn die Virtuosität seiner Musik ist einfach berührend. Auch ich bin erst vor einigen Jahren durch ein sehr empfehlenswertes Buch auf ihn aufmerksam geworden, in dem sein Album „The Easy Way“ (Verve, 1959) als ein Jazzalbum genannt wird, das man unbedingt gehört haben sollte. Ein Trio-Album mit Jim Hall an der Gitarre und Ray Brown am Bass, das mich nachhaltig beeindruckt hat.

Mein persönlich liebstes Werk ist aber die „Western Suite“ (Atlantic) von 1958, in der Giuffre wiederum mit Jim Hall und Bob Brookmeyer an der Ventilposaune ein besonders ungewöhnliches Trio bildet. Das Album beginnt mit der vierteiligen, von Country und Folk inspirierten Suite, die einen direkt in die kakteenbewachsene Westernlandschaft des Covers versetzt. Es folgt eine lange, pulsierende Version des Big-Band-Standards „Topsy“ und das Album endet mit dem im Dixie-Stil gespielten Monk-Titel „Blue Monk“.