20. März 2022
Familienbande (1/3)
Die Cherrys
Don Cherry (1936–1995) ist so ein bisschen der „Hidden Track“ der Jazzgeschichte. Er war bei wichtigen Evolutionen wie der Entdeckung des Free Jazz (1961, Atlantic) mit Ornette Coleman und der Entwicklung der Avant-Garde (1966, Atlantic) mit John Coltrane dabei und spielte mit vielen anderen die Rang und Namen hatten (dazu ein anderes Mal mehr). Vielleicht war es seine immer vorwärtstreibende Rastlosigkeit, die dazu führte dass er bis heute nicht in der ersten Reihe der großen Jazzmusiker wahrgenommen wird.
Sein Instrument war die Taschentrompete, aber neben diversen Flöten und Klavier beherrschte er noch zahlreiche andere Instrumente, die er im Laufe seines Lebens zusammensammelte. Für mich prägend waren vor allem seine Alben „Mu“ First Part (1969, actuel 1) und „Mu“ Second Part (1969, actuel 31), die er als Multiinstrumentalist zusammen mit dem Perkussionisten Ed Blackwell einspielte. Seine Kompositionen verweben hier traditionelle Musik ganz verschiedener Kulturkreise mit freier Jazzimprovisation und setzten einen aufregenden Meilenstein für die Globalisierung des Jazz.
Seine Stieftochter Neneh Cherry (*1964) ging etwas andere Wege, trägt aber durchaus den Geist ihres Vaters in sich. Vom Punk kam sie zum Hip-Hop und war an der Entwicklung des Trip Hop beteiligt.
Ihr sind Pophymnen wie „Manchild“ und „7 Seconds“ (mit Youssou N’Dour) zu verdanken und weitere, immer sehr engagierte, Musikproduktionen wie z.B. „Broken Politics“ (2018). Das Erbe ihres Vaters verarbeitete sie mit dem Jazztrio „The Thing“ um den Saxophonisten Mats Gustafsson (Blogeintrag vom 11.12.21) auf dem Album „The Cherry Thing“ (2012). Sehr besonders finde ich ihr Album „Blank Projekt“ (2014, alle Smalltown Supersound), das sich sehr minimalistisch auf elektronische-perkussive Klänge und ihre warme Soul-Stimme reduziert. Möglicherweise gar nicht so weit von „Mu“ entfernt.