30. März 2022

Familienbande (2/3)

Die Brötzmanns

Als Neubauten-Fan führte einen der Weg in den frühen 1990ern zwangsläufig zu Caspar Brötzmann (*1962). Seine Alben mit dem Caspar Brötzmann Massaker (mit Eduardo Delgado-Lopez am Bass und Danny Arnold Lommen am Schlagzeug) sind für mich bis heute Ausnahmewerke, die mich immer wieder in den Bann ziehen. Vor allem „Koksofen“ (1993) und „Home“ (1995).

Er begann sein Gitarrenspiel auf einem Instrument das Carla Bley im Hause Brötzmann zurückgelassen hatte und stieg bald danach auf E-Gitarre um. Dieser entlockt er gewaltige, brachiale und extreme, zugleich aber auch unglaublich lyrische und nuancierte Töne, von denen eine beispiellose Energie ausgeht und kombiniert sie mit beschwörender Sprachperformance. HIER gibt es eine sehr schöne Filmcollage, in der der Musiker sein Werk reflektiert. Seine melodiöseste Platte ist „Mute Massaker“ (2000, alle Rough Trade/Southern Lord) und mutet, obwohl sie mit Bass- und Schlagzeugbegleitung aufgenommen ist, fast wie ein Soloalbum an, das ihn als höchst legitimen Erben von Jimi Hendrix ausweist. Ebenso wie sein Vater ziert er seine Cover zumeist mit eigenen Kunstwerken, was immer ein sehr stimmiges Ganzes ergibt.

Dieser zunächst als Grafiker ausgebildete Peter Brötzmann (*1941-2023) – seine Instrumente sind alle Arten von Saxophonen und Klarinetten – hatte seine ersten Auftritte in einem Projekt von Don Cherry. Wenig später wurde er zu einem der wichtigsten Akteure des deutschen Freejazz, dem er immer weiter teilweise sehr extreme Schattierungen hinzufügt. Sein Werk ist so komplex, dass ich hier nur ein paar wenige Alben nennen will. Den Klassiker „Machine Gun“ (1968) sollte man sich auf jeden Fall mal konzentriert angehört haben. Eine schöne Kuriosität ist die Platte „Schwarzwaldfahrt“ (1977, FMP) bei der er zusammen mit dem Drummer Han Benninck und Instrumenten durchs Unterholz zieht und Bachrauschen, Vogelgesänge, das Klopfen auf Baumstämme mit in die gemeinsamen vor Ort aufgenommenen Improvisationen einfließen lässt. Meine erste Begegnung (und das ist immer etwas Besonderes) war das Solo-Projekt „No Nothing“ (1991, FMP) bei er gleich einem Schlangenbeschwörer auf verschiedenen Blasinstrumenten den Zuhörer betört. Eine weitere beeindruckende Solo-Live-Aufnahme stammt aus dem „Münster Bern“ (2015, cubus) bei der er den Resonanzraum der gotischen Kirche für Register von Bellen bis zu sanften Melodien mit nutzt. Sehr hörbar sind seine in den letzten Jahren entstandenen Arbeiten mit der Pedal-Steel Gitarristin Heather Leigh wie „Sparrow Nights“ (Trost, 2018). Eine ganz gute Zusammenfassung seines weiteren Werks findet sich HIER.

1990 haben Vater und Sohn ein gemeinsames Album „Last Home“ (Pathalogical) aufgenommen das leider mehr oder weniger vergriffen ist.