4. Oktober 2022

Keith Jarrett – Konzert

Obwohl mir Keith Jarretts Musik seit Jahrzehnten regelmäßig den Boden unter den Füßen wegzieht, hatte ich nie das Bedürfnis der „Heiligen Messe“ seiner Solokonzerte vor Ort beizuwohnen. Mir reicht es, wenn ich auf dem Sofa liege und er im CD-Player liegt und spielt oder – noch besser – bei nächtlichen Autobahnfahrten aus dem Lautsprecher klingt. Zwar hat man letztendlich bei jedem seiner Konzerte, die immer aus dem Moment heraus entstehen, seine Lieblingsstellen aber die Dramaturgie eines Konzerts ist es immer wert als Ganzes entdeckt zu werden.

Nun also das „Bordeaux Concert“ aus dem Jahr 2016, das gerade bei ECM erschienen ist und viel leichter und heller erscheint als die Konzerte in München und Budapest aus demselben Jahr. Die dreizehn relativ kurzen Stücke sind - wie so oft - nummeriert (I – XIII) womit nichts im Voraus andeutet wohin die Reise geht. Und die hat es in sich, denn im Gegensatz zu Jarretts oft endlosen Konzertimprovisationen (in denen man sich immer wieder gerne verliert), zeigt dieses Kaleidoskop der kleineren Einheiten gut die große Breite seines Repertoires: Detailreiche Abstraktion, tastende Übergänge, strahlende Melodien, die einem die Tränen in die Augen treiben, bluesiges, kleine Etüden, Standards und natürlich auch Pathos. Der krönende Abschluss dieser Konzertaufnahme führt in spanische Gefilde und entlässt den Zuhörer sanft in die Stille.


Zum Abschluss dankte der Pianist dem Publikum in der Oper von Bordeaux mit folgenden Worten: „Sie sind buchstäblich ein außergewöhnliches Publikum. Ich danke Ihnen dafür. Und glauben Sie mir, ich sage das nicht jedes Mal“ (Quelle). Wahrscheinlich ist es auch deshalb ein außergewöhnliches Konzert geworden.