24. Januar 2023

Metamorphosen

2013 erschien ein Album, das meine Hörgewohnheiten beim Jazz gehörig durchrüttelte: zwei Schlagzeuger, die mächtig einheizten, ein Saxophon, das lyrische, energiegeladene Melodien hinzufügte und schließlich eine Tuba, die das alles verband und durchdrang. Die britische Band mit diesem ungewöhnlichen Instrumentarium waren die Sons of Kemet, das Album hieß „Burn“ (> quartett) und brannte afroamerikanisch und karibisch geprägt, durch Elektronik unterstützt, eine neue Markierung in die Geschichte des Jazz. Ebenso wie die drei darauffolgenden Alben. Da alle Mitglieder der Band mittlerweile intensiv in andere Projekte eingebunden sind, wurde die Formation im letzten Jahr aufgelöst.

Sebastian (Seb) Rochford, einer der beiden Schlagzeuger (bis 2019), der an seinem üppigen Haarschopf zu erkennen war, hat nun - mittlerweile kahl - ein Duo-Album mit dem Pianisten Kit Downes veröffentlicht. „A Short Diary“ (ECM) enthält Kompositionen, die Rochford kurz nach dem Tod seines Vaters, dem schottischen Dichter Gerard Rochford, im Jahr 2019 schrieb, um diesen Verlust zu verarbeiten.

Heraus kam eine Musik, die allerdings in eine völlig andere Kategorie, als der vehemente Sound der Sons of Kemet fällt.

Das Album beginnt mit dem packenden Titel „This Tune Your Ear Will Never Hear“ und klingt ungefähr so, als würden die beiden Musiker die Begleitung zu einer nicht vorhandenen Melodie spielen.

Was folgt, ist weiterhin meist von extremer Ruhe getragen und musikalisch nicht weit von Eric Saties „Gnossiennes“ entfernt: andächtige Klavierlinien, das Schlagzeug, im Hintergrund oft kaum hörbar, beziehungsweise in enger, spannender Verschmelzung mit dem Klavier, alles ganz zart, ohne in Sentimentalität abzudriften. Das Album endet mit einer Weise, die Rochfords Vater selbst komponiert und seinem Sohn per Telefon übermittelt hatte. Es lohnt sich übrigens das Album über Kopfhörer anzuhören, um keine der minimalen Schlagzeugberührung zu verpassen.